26.01.2006
Ziele erreicht: Bürgerinitiative Sondermüll löst sich auf
Vereinsvermögen von 16 000 Euro wurde an Bund Naturschutz gespendet - 15 Jahre Widerstand - Neudeck bleibt im Umweltrat
Schwabach (gw) - Die letzte Aktion: eine Spendenübergabe. Der ehemalige Kassier Gerhard Börner hat für den Fototermin einen symbolischen Scheck mitgebracht. Die Schwabacher Bürgerinitiative Sondermüll hat sich aufgelöst. Das Vereinsvermögen aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden wird nun quasi "vererbt": 16 000 Euro erhält der Bund Naturschutz, weitere 500 Euro gehen an den Landschaftspflegeverband Schwabach. Bestehen bleibt die "BI" aber dennoch - zumindest im Internet. Unter www.bi-sondermuell.de ist der eineinhalb Jahrzehnte lange Kampf gegen den Sondermüll-Standort Schwabach/Rednitzhembach dokumentiert.
Die Mitgliederversammlung, die einstimmig die Auflösung beschloss, hatte schon im November 2005 stattgefunden. "Aus steuerlichen Gründen war für die Verwendung des Vereinsvermögens die Genehmigung der Finanzbehörden nötig. Die ist jetzt da", erläuterte Börner.

Sitzblockade 1968

"Es war ein furchtbarer Kampf" blickt Elfriede Uhlmann, die stellvertretende Vorsitzende weit zurück. Sie hatte bereits im Falbenholz gewohnt, als 1968 die Deponie in der alten Lehmgrube eröffnet worden war. Und sie war schon bei der ersten Protestaktion dabei. Wenige Wochen nach der Inbetriebnahme zogen erste Gestankschwaden von der Deponie über die Wohnhäuser in der Nachbarschaft. "Da kam es dann zum ersten Sitzstreik vor der damaligen Einfahrt", erinnert sich Elfriede Uhlmann.

Deponie saniert, keine Verbrennung

Widerstand hatte es also von Anfang an gegeben. 1971 wurde dann auch noch die Sondermüllverbrennungsanlage gebaut. Die Folge: ein Dauerkonflikt.
Die "Bürgerinitiative Sondermüll" hat sich 1989 gegründet. "Wir hatten zwei Ziele", erklärt Gerhard Börner. "Die Sanierung der Deponie und den Stopp der Verbrennung. Beides ist geschehen." 2004 erhielt die Deponie eine Oberflächenabdeckung. Im gleichen Jahr wurde das Ende der Verbrennung beschlossen, im Frühjahr 2005 ging der Ofen aus. "Das Ende kam dann doch überraschend", meint BI-Vorsitzender Gerd Neudeck
Die Ziele sind erreicht, durch ihren Erfolg hat sich die BI selbst überflüssig gemacht. So könnte man es sehen. Aber war es überhaupt ein Erfolg der BI? Ausschlaggebend waren schließlich nicht die Ängste der Anwohner, sondern die roten Zahlen in den Bilanzen der halbstaatlichen Betreibergesellschaft GSB.
Dem Vorstand der Bürgerinitiative ist das durchaus bewusst. "Anfangs hatten wir noch an die Einsichtsfähigkeit der Verantwortlichen appeliert. Wir hatten darauf hingewiesen, dass es wegen der nahen Wohnbebauung einfach der falsche Standort ist", blickt Börner zurück
"Es ist ja immer wieder was passiert", verweist Elfriede Uhlmann auf die Reihe von Betriebsstörungen und Unfällen. 1998 war nach einer Verpuffung ein Arbeiter sogar ums Leben gekommen. "Die Angst war immer da." Das hatte sich zum Beispiel auch 2001 gezeigt, als es eine große Demonstration gegen Sondermüll-Importe aus Venezuela gegeben hatte.
Von einer Schließung der Anlage wollten die Verantwortlichen im damaligen Zweckverband Sondermüllentsorgung Mittelfranken (ZVSMM) lange nichts hören. Die Proteste der Bürgerinitiative aber hatten dennoch Wirkung. Die Anlage wurde nachgerüstet, insbesondere durch die hochmoderne - und entsprechend teure - Rauchgasreinigung Anfang der neunziger Jahre.

Umweltpreis 1995

1995 erhielt die Bürgerinitiative Sondermüll den Umweltpreis der Stadt Schwabach. "Sie hat großen Anteil daran, dass verantwortliche Politiker und Betreiber Maßnahmen ergriffen haben, dass der Betrieb erheblich sicherer geworden ist", schrieb damals OB Hartwig Reimann auf die Urkunde.

"Mit der Zeit wurde uns klar, dass die Anlage nur dann abgeschaltet würde, wenn sie nicht mehr profitabel ist. Und dazu haben die von uns mit erzwungenen großen Investitionen beigetragen", mein Gerd Neudeck.
"Erst durch die Fusion mit der GSB und die Gründung der GmbH wurde die Überschuldung ein Thema. Auch die zurückgehenden Sondermüllmengen hatten den Kostendruck erheblich erhöht", ergänzt Gerhard Börner.

"Ich empfinde es als Sieg"

"Ich empfinde die Schließung der Verbrennungsanlage schon als Sieg", betont Elfriede Uhlmann. "Wir sind froh, dass es zu ist." Auch wenn man andererseits verstehe, dass für die entlassenen Mitarbeiter dieser Beschluss bittere Folgen hatte
Und wie geht es weiter? Obwohl die Bi nun aufgelöst ist, bleibt Gerd Neudeck Mitglied im Umweltbeirat. "Ich vertrete jetzt den BN", erklärt er. Die Kontaminierung des Geländes sei nicht so schlimm wie befürchtet. "Das scheint insgesamt in Ordnung zu sein", so Neudeck, Auch die "Vocsi-Box" zur Entgasung der Deponie funktioniere. "Damit können wir im Moment leben."
Die Bürgerinitiative Sondermüll hat sich mit einstimmigen Beschluss selbst aufgelöst. Das Vereinsvermögen wird gespendet. Gerd Neudeck (links), Elfriede Uhlmann (2.v.l.) und Gerhard Börner (rechts) überreichen einen symbolischen Scheck über 16 000 Euro an Almut Churavy vom Bund Naturschutz.
Die Bürgerinitiative Sondermüll hat sich mit einstimmigen Beschluss selbst aufgelöst. Das Vereinsvermögen wird gespendet. Gerd Neudeck (links), Elfriede Uhlmann (2.v.l.) und Gerhard Börner (rechts) überreichen einen symbolischen Scheck über 16 000 Euro an Almut Churavy vom Bund Naturschutz.

Mehr Personal für Deponie

Kritik gibt es dagegen an der Nachsorg für die drei bayerischen Sondermülldeponien in Schwabach, Raindorf und Gallenbach. "Dafür stehen nur zwei Ingenieure und zwei weitere Mitarbeiter zur Verfügung. Das sind gute Leute, aber mit dieser personellen Situation sind wir nicht ganz zufrieden", erklärt Neudeck. "Da wäre eine Aufstockung dringend nötig", meint auch Almut Churavy, die Vorsitzende des Bund Naturschutz in Schwabach. Die Sicherheit der Deponie sei schließlich eine Daueraufgabe. Über die künftige Nutzung des Geländes neben der Deponie entscheidet am heutigen Donnerstag der Aufsichtsrat der GSB. Dem Vernehmen nach sind, wie berichtet, in einem Gewerbepark ein Biomasse-Heizkraftwerk, ein Gartencenter und eine Pilzzuchtanlage geplant. Das hieße: Der Schlot wird wieder rauchen. Allerdings nicht mehr mit Sondermüll

"Kein neuer Konflikt"

Und das ist auch aus Sicht von BI und BN ein wichtiger Unterschied. "Wir sehen jetzt keinen neuen Konflikt aufkommen", betont Almut Churavy. Aber man wolle auch sicher gehen, dass kein belastetes Holz verbrannt werde und die Bürger nicht durch den Gestank etwa durch die Pilzzucht belästigt würden. "Da werden wir ein Auge drauf haben."
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