04.02.2002
"Stoiber soll helfen"
Sondermüll-Gegner hoffen auf eine politische Lösung - Eine Kundgebung vor der Anlage demonstriert Geschlossenheit.
REDNITZHEMBACH - Für dieses Engagement hätten Sie die bayerische Staatsbürgermedaille wahrscheinlich nicht behommen - als weniger "sozial" (so der Grund der Auszeichnung) wäre Waltraud Westhofen von ihren Mitbürgern aber kaum eingeschätzt worden. Jetzt also steht die stemmig resolute Rednitzhembacherin vor mehr als 1000 Demonstranten und wettert mit lauter Stimme gegen ein auf den ersten Blick sehr schmuckes Industriegebäude hinter ihrem Rücken. Dort steht, mit glatter Metallfassade und großen, stahlgeramten Fenstern, ein Ofen besonderer Art, werden in ihm doch giftige Substanzen aller Art, beschönigend "Sondermüll" genannt, verbrannt. Und - darf man Chemikern, Verbrennungs-Spezialisten und Umweltanalytikern glauben - dabei unschädlich gemacht.

Viele Zweifel

Genau das ist aber auch der Grund, warum so viele Menschen aus der Standortgemeinde Rednitzhembach, dem nahen Schwabach und dem ganzen Landkreis Roth gekommen sind. Sie glauben"s nicht, und die Betreiber der Sondermüll-Verbrennung, die (großteils staatliche) GSB, geben sich alle Mühe, diese Zweifel immer wieder zu befeuern. Beispielsweise im letzten November, als nach einer Explosion im Müllofen stundenlang die Abgase an den schützenden Filtern vorbei in die Umgebung entlassen wurden und sich über die Umgebung der Anlage ein weißer Schlick als "fallout" legte.

Ob dabei jemand zu Schaden kam? Hört man Betreiber wie Gegner der Anlage, weiß man mehr über das Phänomen der selektiven Wahrnehmung. Grundsätzlich gilt der einen Seite die Anlage - selbst bei einem Störfall - als nicht gesundheitsgefährdent, die andere hingegen fühlt sich schleichend vergiftet. "Chronisch" nennt das die streitbare Frau am Mikrofon. Als langjährige Mitarbeiterin in einer Arztpraxis glaubt sie auch den Mechanismus zu kennen: "Wenn man klares Wasser nicht auf einmal, sondern tröpfchenweise verunreinigt, wird man nicht akut, sondern chronisch krank", erläutert sie ein Experiment mit zwei Wassergläsern in der Hand.

Vorsichtige Mütter

Ob der Sondermüll-Ofen physisch krank macht (oder gar tötet), das beweist bisher keine Statistik, das gibt offenbar auch keine Krankenakte her. Dass die Anlage (und die benachbarte Deponie) die Leute psychisch kirre macht, steht außer Zweifel. Die Penzendorferin Karin Eicher, Mutter von Tobias (6) und Christine (4), lässt jedenfalls ihre Kinder nicht mehr aus dem Haus (und in den Kindergarten), "wenn die Anlage stinkt". Für hysterisch hält sie sich keineswegs, "denn wenn es stinkt, dann ist auch etwas in der Luft", sagt sie - und die unmittelbaren Nachbarn der Anlage berichten von nächtlichen Wölkchen über dem Kamin, die ebenfalls erkennbar keinen Kölnisch-Wasserdampf signalisieren.

Also stehen sie erneut auf einer Kundgebung, auf der der Schwabacher Oberbürgermeister Hartmut Reimann (SPD) endlich eine "politische Lösung" fordert ("Vor den Verwaltungsgerichten haben wir keine Chance mehr"), auf der Landrat Herbert Klaus Eckstein "die Grenze der Belastbarkeit erreicht" sieht. Und wo der Vorsitzende der Bürgerinitiative gegen die Anlage, Detlef Stadler, den "Landesvater" Ministerpräsident Edmund Stoiber gefordert sieht, seine Bürger vor seiner Anlage in Schutz zu nehmen: "Er trägt jetzt die Verantwortung für die Zukunft unserer Gesundheit". Warum Stoiber jetzt verantwortlich ist? Der derzeit stillgelegte Ofen soll wieder "angefahren" werden - und das stinkt den Anwohnern schon jetzt.

Keimt neue Hoffnung? Die 1000 GSB-Gegner hoffen nun auf ein Gutachten, das die wirtschaftlichen Folgen einer Schließung der mittelfränkischen Anlage prüfen soll. Sollte das Gutachten zu ddem Schluss kommen, dass mit dem Aus für die Schwabacher Anlage auch die Entsorgungssicherheit in Bayern gefährdet wäre (und sie dann nicht zu schließen sei), wissen die Demonstranten auch schon, was es dann für sie ist: "Ein Schlechtachten".
Den Ausstieg aus Sondermüllverbrennung und -deponierung forderten vor der mittelfränkischen Anlage in Rednitzhembach (Landkreis Roth) über 1000 Demonstranten aus dem Ort, dem nahen Schwabach und dem ganzen Landkreis.
Den Ausstieg aus Sondermüllverbrennung und -deponierung forderten vor der mittelfränkischen Anlage in Rednitzhembach (Landkreis Roth) über 1000 Demonstranten aus dem Ort, dem nahen Schwabach und dem ganzen Landkreis.
Vorsichtige Mütter

Ob der Sondermüll-Ofen physikalisch krank macht (oder gar tötet), das beweist bisher keine Statistik, das gibt offenbar auch keine Krankenakte her. Dass die Anlage (und die benachbarte Deponie) die Leute physisch kirre macht, steht außer Zweifel. Die Penzendorferin Karin Eicher, Mutter von Tobias (6) und Christine (4), lässt jedenfalls ihre Kinder nicht mehr aus dem Haus (und in den Kindergarten), "wenn die Anlage stinkt". Für hysterisch hält sie sich keineswegs, "denn wenn es stinkt, dann ist auch etwas in der Luft", sagt sie - und die unmittelbaren Nachbarn der Anlage berichten von nächtlichen Wölkchen über dem Kamin, die ebenfalls erkennbar keinen Kölnisch-Wasserdampf signalisieren.

Also stehen sie erneut auf einer Kundgebung, auf der der Schwabacher Oberbürgermeister Hartmut Reimann (SPD) endlich eine "politische Lösung" fordert ("Vor den Verwaltungsgerichten haben wir keine Chance mehr"), auf der Landrat Herbert Klaus Eckstein "die Grenze der Belastbarkeit erreicht" sieht. Und wo der Vorsitzende der Bürgerinitiative gegen die Anlage, Detlef Stadler, den "Landesvater" Ministerpräsident Edmund Stoiber gefordert sieht, seine Bürger vor seiner Anlage in Schutz zu nehmen: "Er trägt jetzt die Verantwortung für die Zukunft unserer Gesundheit". Warum Stoiber jetzt verantwortlich ist? Der derzeit stillgelegte Ofen soll wieder "angefahren" werden - und das stinkt den Anwohnern schon jetzt.

Keimt neue Hoffnung? Die 1000 GSB-Gegner hoffen nun auf ein Gutachten, das die wirtschaftlichen Folgen einer Schließung der mittelfränkischen Anlage prüfen soll. Sollte das Gutachten zu ddem Schluss kommen, dass mit dem Aus für die Schwabacher Anlage auch die Entsorgungssicherheit in Bayern gefährdet wäre (und sie dann nicht zu schließen sei), wissen die Demonstranten auch schon, was es dann für sie ist: "Ein Schlechtachten".
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